Newsletter 027 Frühling (2018)

Der Bestatter von nebenan



Veröffentlicht am: 14.05.2018

Zwischen der Aemtlerwiese und dem Friedhof Sihlfeld liegt ein Ort, mit dem am Ende ihres Lebens alle Zürcher Kontakt haben werden.

Text und Bilder: Ivo Mijnssen


In der Wiediker Basis des Bestattungsamtes, wo Christoph Stüssi arbeitet,
werden alle Todesfälle der Stadt erfasst.


Tagein und tagaus fahren die schwarzen Mercedes durch die Saumstrasse. Nur wer genau hinschaut, bemerkt den dezenten Schriftzug an der Tür: «Bestattungsamt». Und doch treten alle 3500 Menschen, die jedes Jahr in der Stadt sterben, in diesen Fahrzeugen ihre letzte Reise an. «Jeder Zürcher zahlt mit seinen Steuern zu Lebzeiten für den Transport, einen gepolsterten Züri-Sarg und ein Bestattungshemd», erklärt Christoph Stüssi. Er ist einer von 12 Bestattern, die im städtischen Sarglager tätig sind. Der karge Betonbau mit den schönen Glasstein-Fenstern liegt zwischen Aemtlerwiese und Friedhof Sihlfeld in der grössten grünen Lunge Zürichs.

Der 49-jährige Stüssi liebt seine Arbeit – sie ist für ihn eine Berufung. Das wusste er bereits vor dreissig Jahren, als er im Rahmen eines Einsatzes für das Katastrophenhilfekorps zum ersten Mal eine Tote berührte. Doch Stüssi ist weder morbid noch düster; wenn er von seiner Arbeit erzählt, tut er dies mit Leidenschaft und Schalk. Er weiss, wie wichtig seine Arbeit ist, denn nach dem Tod, der zu Hause, auf einem Spazierweg, im Spital oder unter einem Tram eintreten kann, sind die Bestatter immer unter den ersten vor Ort. Sie treffen auf trauernde, erleichterte, schockierte, zuweilen auch aggressive Hinterbliebene. «Du machst die Tür auf und – zack – bist du plötzlich im Intimsten», sagt Stüssi.

Es ist ein intensiver Kontakt, der Fingerspitzengefühl erfordert. «Gut zuhören, gut zuschauen» müsse er,"


Es ist ein intensiver Kontakt, der Fingerspitzengefühl erfordert. «Gut zuhören, gut zuschauen» müsse er, herausspüren, was die Leute wollten. Er sei da, um zu helfen. Eine grosse Verantwortung und eine harte Arbeit, auch körperlich: Verstorbene sind schwer, schwere Verstorbene noch schwerer, sie durch enge Treppenhäuser zu tragen, eine logistische Herausforderung. Stüssi und seine Kollegen wissen viel über den Tod, sie wissen, welche Körperteile rasch gekühlt werden müssen, wie schwer ein Babysarg ist, wie man grosse und kleinere Wunden näht, wie Verwesung riecht. Wie geht er damit um? Viel hänge von seiner Team-Partnerin ab – die beiden pflegen eine kurze und intensive Psychohygiene durch Gespräche. Ganz an sich heranlassen dürfe man die Arbeit aber nicht, mahnt Stüssi und markiert mit seinen Händen eine unsichtbare Barriere, zwanzig Zentimeter vor seiner Brust. «Sollte ich je von einem Fall träumen, dann höre ich sofort auf.»

Und doch überwiegen die schönen Momente – wenn er einen Verstorbenen nach Süditalien zur Beerdigung fährt und dort mit der Familie das Liebste, das wieder nach Hause kommt, feiert, oder wenn er unvermittelt auf so fremde wie faszinierende georgische Totenrituale in einer Zürcher Wohnung trifft. Da merkt er, wie nahe der Tod dem Leben ist. Dies gehe in der Schweiz manchmal vergessen, «man igelt sich eher ein, wenn jemand stirbt», bedauert er. «Der Tod ist eine etwas verlorene Kultur hierzulande», dabei sei die Art des Abschieds doch so wichtig. Er ist überzeugt, dass der Umgang mit dem Tod letztlich ein Spiegel der ganzen Gesellschaft ist. «Es geht um die Würde des Menschen», und dieser fühlt sich Stüssi mehr als alles andere verpflichtet.

Der Tod in Zahlen



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Kein Fussball auf der Aemtlerwiese am Tag der Arbeit



Veröffentlicht am: 14.05.2018

Eine Allianz von Quartierbewohnern und Institutionen hat verhindert, dass die Grünfläche zum Spielball anonymer Gruppen wird.

Text und Bild: Pete Mijnssen


So soll es sein auf der Aemtlerwiese: friedliche Nutzung verschiedener Gruppen und Personen

Um halb neun morgens hörte man am. 1. Mai ein hubraumstarkes Auto vorfahren, Gesprächsfetzen – kurz danach Türenschletzen und ein Motor, der ansprang. Danach war Ruhe. Ein Anwohner hatte die SIP alarmiert, und diese orientierten die auswärtige Person, das an diesem Tag geplante Fussballturnier sei unerwünscht. Zwei Securitas-Sicherheitsleute markierten danach Präsenz und wiesen mehrere Personen weg. Sie setzten somit durch, was am letzten «runden Tisch» im April mit 15 Personen und InstitutionsvertreterInnen vereinbart wurde.

Vor zwei Jahren waren die AnwohnerInnen von lauter Musik, Fussballgegröle und Mehrverkehr aufgeschreckt worden (QN3 berichtete). Die anonym bleibenden Veranstalter schenkten Alkohol aus, zahlreiche Personen urinierten ungeniert auf den Rasen. Da sie den ganzen Tag im strömenden Regen spielten, waren grosse Teile des Platzes über Monate kaum mehr bespielbar. Die Gruppe wies im Vorfeld auch Familien und andere Fussballteams rüde weg, obwohl die Wiese allen Bewohnerinnen des Quartiers zur Verfügung stehen soll. Einen solchen Auflauf will man in Zukunft verhindern.

Seit dem letzten Jahr steht deshalb ein Schild auf der Wiese mit den Nutzungs-Regeln und dem Hinweis, dass Nocken- und Stollenschuhe verboten sind. Grundsätzlich ist dies richtig, da die Wiese für Profifussball ungeeignet ist. Für Turnierspiele gibt es dafür in der Stadt Zürich spezielle Orte, wie etwa die Sportanlage Juchhof. Dennoch ist bei der Regulierung nun Augenmass gefragt: Vor dem alarmierenden Anlass arrangierten sich auf der Aemtlerwiese Fussballfans und Familien während zwanzig Jahren problemlos. Es wäre schade, wenn diese Kultur nun mit Verbotsschildern zerstört würde.



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Zürich gegen Homophobie



Veröffentlicht am: 14.05.2018

Vorurteile gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transmenschen sind weit verbreitet – Zürcher Jugendliche sollen sie hinterfragen.

Text: Jessica Mijnssen, Bild: Christoph Ruckstuhl (NZZ Fotografen)


Jugendliche schauen sich einen Film an, den sie im Rahmen des Aktionsmonats «Likeeveryone» gedreht haben.

Auf dem Spielplatz, auf dem Fussballfeld und auf dem Schulweg hört man oft das Wort «schwul», auch in Wiedikon. Es soll eine Beleidigung sein, die auch Kinder benutzen, die zu jung sind, um zu wissen, was es bedeutet. Eine Umfrage zur Diskriminierung unter Schweizer Jugendlichen zeigte letztes Jahr, dass 85 Prozent in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal eine Aussage gemacht haben, die entweder direkt oder indirekt diskriminierend gegenüber Homosexuellen war.

Dies hat durchaus reale Auswirkungen: Homo- und bisexuelle junge Frauen sind 2,5 Mal häufiger depressiv und fünfmal suizidgefährdeter als ihre gleichaltrige Heterosexuelle. Bei den Männern sind beide Zahlen fünfmal höher als bei Heterosexuellen. Besonders schwierig ist die Situation der Transmenschen, also Personen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Sie kann entweder ganz dem anderen Geschlecht entsprechen oder sich ausserhalb von nur-männlich respektive nur-weiblich bewegen. Ein Viertel bis ein Drittel von ihnen hat schon einmal einen Selbstmordversuch unternommen.

Aus diesem Grund haben die Fachstelle für Gleichstellung, die Offene Jugendarbeit Zürich und die Du-Bist-Du-Plattform den Aktionsmonat «Likeeveryone» initiiert: Im März setzten sich Jugendliche intensiv mit Vorurteilen und Ausgrenzung gegenüber Homo- und Bisexuellen sowie Transmenschen auseinander. Vor allem in den Jugendtreffs diskutierten sie über ihr Verständnis verschiedener Sexualitäten und konnten auch anonym Fragen stellen. Die Organisatoren verweisen darauf, dass in dieser Altersgruppe Homo- und Transfeindlichkeit abnehmen, je mehr sich die Jugendlichen damit befassen.

Auch die Schulen beschäftigen sich deshalb immer häufiger mit diesen Themen, nicht zuletzt in Wiedikon. «Wir arbeiten beim Sexualkunde-Unterricht eng mit dem Schulärztlichen Dienst der Stadt Zürich und mit Lust und Frust zusammen. Diese thematisieren verschiedene Sexualitäten», erklärt Clemens Pachlatko, der Leiter des Aemtlerschulhauses. Ausserdem werde auch das Thema der «falschen Sexualität» explizit besprochen.

Am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie, findet um 18.30 Uhr im Kulturmarkt ein Podiumsgespräch zum Thema «Lesben-, Schwulen- und Transfeindlichkeit – wie sind junge Menschen betroffen?» statt.
Weitere Informationen finden Sie in der Veranstaltung des Kulturmarktes: Lesben-, Schwulen- und Transfeindlichkeit – wie sind junge Menschen betroffen?



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Von Palme zu Schiwago



Veröffentlicht am: 14.05.2018

Nach zwanzig Jahren unter libanesischer Kulinarikflagge eröffnet ein Szenewirt das Restaurant Palme neu.

Text und Bild: Pete Mijnssen


Der zukünftige Schiwago-Wirt Christian Egger auf seiner Baustelle

Zürcher Gastrokennerinnen und Insidern muss man Christian Egger nicht näher vorstellen. Sein Name steht für die legendären Restaurants Café Boy, Tessinerkeller und Grüntal. Der Szenewirt, der mit Levante den Zürchern in den Achtzigerjahren am Theaterspektakel eine hochwertige, mediterrane Küche schmackhaft machte, kehrt in der Palme in Wiedikon zu seinen Wurzeln zurück: Das Restaurant war in den siebziger Jahren eine der ersten Kollektivbeizen und für ihn eine Inspirationsquelle. Er freut ihn, dass er den Zuschlag für die Palme erhalten hat, wie er Quartiernetz3 sagt: «Es ist heutzutage nicht selbstverständlich, dass ein Vermieter dabei nicht an erster Stelle an Profitmaximierung denkt».

Allerdings waren die Gespräche mit der Verwaltung über die Neueröffnung nicht frei vom Thema Kostendruck. Denn nach über zwanzig Jahren gibt es eine neue Kücheneinrichtung, und die Räume wurden gründlich entrümpelt. Deshalb ist der Gartensitzplatz vor der Beiz an der Ecke Goldbrunnen-Bertastrasse zurzeit noch eine Baustelle. Was er denn hier kochen werde, wurde er schon verschiedentlich von Passanten gefragt. Etwa die legendären Moules et Frites, oder gibt es wieder eine Bio-Metzgete? Egger will sich noch nicht festlegen. Sicher ist: Es wird eine frische, lokale und globale Küche sein. Letzte Frage: Wieso ein russischer Name, ist er ein Russlandfreund? Ganz falsch: Es ist schlicht eine Hommage an den berühmten Film und «weil Omar Sharif ein cooler Typ war». Gerne lassen wir uns überraschen. Eröffnet wird am 8. Juni.



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Konzert im Quartierladen



Veröffentlicht am: 15.05.2018

Markus & Selina Schönholzer
Vater und Tochter spielen ihre Lieblingslieder – von Bob Dylan zu Laura Marling.
Donnerstag, 24. Mai im Quartierladen Balasso & Betulius, Gertrudstrasse 68
Ab 19 Uhr, freier Eintritt/Kollekte
www.balasso-und-betulius.ch



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«Die göttliche Ordnung» im Idaplatzkino



Veröffentlicht am: 15.05.2018

Dort, wo sich Ida, Marta und Berta treffen, stehen am 9. Juni die hiesigen Frauen im Rampenlicht: Auf dem Idaplatz wird in der 22. Saison des Openairkinos «Die göttliche Ordnung» infrage gestellt. Denn nicht nur bei den Zürcher Strassennamen, sondern auch im Schweizer Stimmrecht gab es bis 1971 eine klare Trennung zwischen männlich und weiblich. Der göttlichen Ordnung zufolge war die Frau für Familie und Haushalt zuständig, in der Gemeinde zählte ihre Stimme allerdings nicht. Wie die Geschichte um das Frauenstimmrecht ausging, ist zwar bekannt, dem Weg bis zur Einführung zu folgen, ist dennoch spannend. In ihrem Film nimmt die Regisseurin Petra Volpe ihr Publikum mit auf diesen Weg. In wunderbaren Bildern und auf unterhaltsame Weise erzählt sie von den politischen Umbrüchen der siebziger Jahre und versetzt den Zuschauer in Jubel, als am Ende die weibliche Hauptfigur ihren Wahlzettel triumphierend in die Urne gleiten lässt.
Ab 18 Uhr können Besucher zwischen verschiedenen kulinarischen Leckerbissen wählen, und in diesem Jahr gibt es erstmals die Möglichkeit, das Billet über Ticketino im Vorverkauf zu beziehen.
Weitere Infos www.idaplatz.org



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Kulturmarkt-Fest



Veröffentlicht am: 15.05.2018

Der Festbeginn ist bereits Tradition: Mit dem Sonnenaufgang um 05.28 Uhr geht es am 23. Juni los. Bunt und vielseitig, entspannt und etwas kurrlig geht es weiter, mit Theater und musikalischen Darbietungen von Kulturschaffenden aus dem Kulturmarkt und aus dem Quartier, mit Spielen für Gross und Klein, mit einem Kinderflohmi, mit griechischer Folksmusik, mit einem Fotowettbewerb für Jugendliche, Flamenco, orientalischem Tanz, afrikanischen Rhythmen und kulinarischen Köstlichkeiten aus der Kulturmarktküche.
Informationen zum Sommerfest 05.28.



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